Blaualgen - Cyanobacteria
Die Blaualgen (Cyanobacteria, rund 2000 bekannte Arten) zählen zu den Prokaryoten und stehen damit den Bakterien näher als den Algen. Im Aquarium gehören die meisten Blaualgen zu den Oscillatoria-Arten (so genannte „Schwingalgen“, die auch unter dem Mikroskop Bewegungen ausführen). Mikroskopisch sind Blaualgen daran zu erkennen, dass ihnen sowohl sichtbare Zellkerne, Mitochondrien und Golgi-Apparate, als auch Chloroplasten fehlen.
Cyanobakterien (Blaualgen) im Aquarium gehören fast immer zu den Gattungen Oscillatoria, Phormidium und Lyngbya. Sie können Pflanzen, Dekoration und Bodengrund in kürzester Zeit mit ihrer schleimigen, blaugrünen bis blauschwarzen Masse überziehen. Ausgerechnet mit diesen "Algen", die gar keine echten Algen sind, scheinen manche Aquarianer die größten Schwierigkeiten zu haben. Dabei sind gerade die "Cyanos" mit ihrem oft unangenehmen Geruch mehr als einfach zu beseitigen.
"Alle Wasserwerte im grünen Bereich", "Nitrat und Phosphat nicht nachweisbar" - so oder so ähnlich lauten sehr oft Aussagen von Blaualgengeschädigten. Dann finden sich auch immer schnell Leute mit dem guten Rat, doch die Blaualgen mit Düngung genau dieser Stoffe zu bekämpfen, was sogar in manchen Fällen hilft. Doch es ist falsch, zu glauben, dass diese Düngung unmittelbar gegen Cyanobakterien wirkt. In diesen speziellen Fällen leiden die Pflanzen, insbesondere die schnellwüchsigen, unter einem tatsächlichen Stickstoff- und / oder Phosphatmangel. Wird dieser nun ausgeglichen, können die Pflanzen wieder wachsen und bilden damit die notwendige Konkurrenz. Eine direkte "Bekämpfung" der Blaualgen mit solchen Düngestoffen ist einfach nicht möglich. Aquarianer, die wenige schnellwachsende Pflanzen pflegen, werden durch diese Empfehlung schnell ihr "blaues Wunder", nämlich noch deutlich mehr Blaualgen, erleben.
Stickstofffixierung?
Was ist mit Fällen in denen tatsächlich beste Wasserverhältnisse herrschen und trotzdem unangenehme Mengen an Blaualgen auftreten? Einige Leute sind dann schnell dabei, die so genannte Stickstofffixierung der Cyanobakterien als Grund in die Diskussion zu bringen. Tatsächlich gibt es Blaualgen, auch unter denen, die man in Aquarien findet, die molekularen Stickstoff fixieren können. Doch können sie es auch unter normalen Bedingungen im Aquarium? Sie können es höchstwahrscheinlich nicht, denn die Stickstofffixierung ist ein sehr energieaufwändiger Prozess und erfordert anoxische, wenn nicht sogar anaerobe Verhältnisse. Kommt es im Aquarium zu solchen Zuständen, sind ganz sicher stickstofffixierende Blaualgen das allerkleinste Problem. Wer mikroskopiert, ist klar im Vorteil: Der Prozess läuft meist in besonderen, dickwandigen, farblosen, photosynthetisch inaktiven Heterocysten ab. Findet man unter dem Mikroskop keine solchen Zellen, sondern nur übliche, blaugrün gefärbte, darf man seinen Augen ruhig trauen und die Stickstofffixierung wenigstens im Aquarium vergessen. Nach neueren Untersuchungen gibt es zwar auch Oscillatoria, die N2 fixieren können, ohne lichtmikroskopisch sichtbare Heterocysten, doch die Bestimmung dieser Arten und erst recht der Nachweis, dass es in Aquarien vorkommende Arten sind, wird so schnell sicher nicht möglich sein. Nach wie vor ist in der Praxis zu beobachten, dass Cyanobakterien zur Massenvermehrung entsprechend viele Nährstoffe brauchen und nur unter besonderen Bedingungen Stickstofffixierung möglich ist.
Noch etwas spricht gegen die These der Stickstofffixierung: Für üppiges Blaualgenwachstum sind neben Stickstoff auch erhebliche Mengen Phosphat notwendig. Phosphat steht aber nicht in beliebiger Menge wie molekularer Stickstoff zur Verfügung. Gäbe es eine Möglichkeit für die Cyanobakterien, unter Normalbedingungen Stickstoff und Phosphat zu fixieren, würde man auch in saubersten Naturgewässern Blaualgen in ungeheuren Mengen finden. Dies ist aber definitiv nicht der Fall.
Großblättrige, langsam wachsende Pflanzen, die geradezu Hilfe suchend "Luftwurzeln" austreiben, um an Spurenelemente heran zu kommen, sind niemals ausreichende Konkurrenz für die Blaualgen. Da die höheren Pflanzen nicht oder fast nicht wachsen, in solchen Aquarien aber massenhaft Nitrat und Phosphat zur Verfügung steht, gedeihen Cyanobakterien in unglaublichen Mengen.
So wird man Blaualgen los: die „Dunkelkur“
Mit totaler Verdunkelung über mehrere Tage gelingt es tatsächlich oft, Blaualgen zu vernichten. Wer dann aber glaubt, ohne weitere, begleitende Maßnahmen den Kampf gewonnen zu haben, wird sich schon nach wenigen Tagen bis Wochen sehr wundern, warum nun plötzlich nach der doch so erfolgreich erscheinenden Dunkelkur wieder die selben Algen in Massen zurück kommen. Bereits während, spätestens aber unmittelbar nach der Verdunkelung, sollten mehrere sehr umfangreiche Wasserwechsel erfolgen.
Hier ein detaillierter Fahrplan für eine erfolgreiche "Dunkelkur" gegen Blaualgen:
- Einen starken Wasserwechsel durchführen (ca. 70 %) und dabei möglichst viele Algen absaugen.
- Durchlüftung mit Membranpumpe und Ausströmerstein installieren und in Betrieb nehmen.
- CO2 abstellen.
- Das Aquarium für 6 - 7 Tage vollständig verdunkeln (Licht aus, Decke oder Pappe so anbringen, dass auch kein Tageslicht einfallen kann).
- Nur wenn Jungfische vorhanden sind, jeden zweiten Tag sehr sparsam etwas füttern und dazu ganz kurz Tageslicht einfallen lassen. Ansonsten keine Fütterung.
- Bei sehr starkem Befall mit Blaualgen sollte am dritten oder vierten Tag unter Vermeidung starken Lichteinfalls ein Teilwasserwechsel von 50 % durchgeführt werden.
- Am 6. oder 7. Tag Beleuchtung wieder einschalten.
- Sofort an zwei aufeinander folgenden Tagen jeweils 90 % Wasser wechseln.
Wird der Punkt 8 vergessen, ist der ganze Aufwand in aller Regel vergeblich.
Warum wachsen verschiedene Cyanobakterien manchmal an ganz speziellen Stellen, zum Beispiel zwischen schnellwüchsigen Schwimmpflanzen oder in, bzw. zwischen Riccia-Polstern und sonst nirgends im selben Aquarium? Eine mögliche Erklärung war z. B.: Eventuell haben sich einige wenige Cyanobakterien an extrem nährstoffarme Lebensräume angepasst. Es handelt sich dabei um tatsächliche Reinstwasserformen(?). Zwischen den Schwimmpflanzenblättern finden diese absoluten Exoten unter den Aquarienalgen ihr Auskommen in einem hoch spezialisierten Lebensraum: Viel Licht, wenig Strömung und ein so nährstoffarmes Wasser, dass darin kein Konkurrent auch nur die kleinste Chance hat.
Da aber in besetzten Aquarien selbst zwischen Schwimmpflanzen kaum so wenige Nährstoffe zu erwarten sind, ist eine andere Erklärung wahrscheinlicher: Oberflächen, bzw. Grenzflächen, haben alle eine negative Ladung und ziehen deshalb organische Stoffe wie ein Magnet an.1 Sowohl die feinen Blättchen der Riccia, als auch die Wasseroberfläche sind solche Oberflächen und deshalb bildet sich genau dort leicht ein Biofilm aus Bakterien und anderen Kleinstlebewesen, in diesem Fall eben auch die Cyanobakterien. Die erste Theorie musste aufgegeben werden, weil sich herausgestellt hat, dass auch dieser hauchzarte Oberflächenfilm von Blaualgen aus den gleichen Arten besteht, also Oscillatoria sp.
Nun wurde allerdings auch diese Theorie dahingehend erschüttert, dass für die höhere Nährstoffkonzentration an der Oberfläche nicht die von Walstad genannten unterschiedlichen Ladungen verantwortlich sind, sondern andere Gründe wahrscheinlicher sind.2 Nicht bestritten wird allerdings die höhere Nährstoffkonzentration selbst.
Auch in Naturgewässern bilden sich bei Nährstoffüberschuss, gleich welcher Art, Biofilme aus Bakterien (auch Cyanobakterien, „Blaualgen“) und anderen Kleinstlebewesen. In Aquarien wird eine Kahmhaut relativ oft als Monokultur, z. B. Blaualgen oder Eisenbakterien gebildet. Beide zeigen aber jeweils einen Überschuss der jeweiligen Nährstoffe an.
Eisenbakterien leisten bei reichlichem Angebot von zweiwertigem Eisen im Wasser oft ganze Arbeit. Die blau schimmernde Kahmhaut besteht fast ausschließlich aus Eisenbakterien. Auch hier gilt: Reichliches Angebot an Nährstoffen und genügend Sauerstoff aus der Luft sind ideal für Bakterien.